Förderbescheidübergabe der LWL-Kulturstiftung an die KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica

Die LWL-Kulturstiftung unterstützt die Forschung zu den Außenlagern des Hamburger KZ Neuengamme an der Porta Westfalica mit 80.000 Euro. Die Forschungsarbeit soll auch Grundlagen für eine geplante Gedenkstätte legen. Im Zweiten Weltkrieg mussten um die 3000 Konzentrationslagerhäftlinge in Stollensystemen im Berg unter dem Denkmal und im gegenüberliegenden Jakobsberg unter unmenschlichen Bedingungen schwerste Zwangsarbeit leisten.

Am 17.07. folgte Matthias Löb, Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), der Einladung des Bürgermeisters von Porta Westfalica, Bernd Hedtmann,und des Historikers Thomas Lange, dem Geschäftsführer des Vereins KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica (Kreis Minden-Lübbecke). Am Jakobsberg übergab Löb als Vorsitzender der LWL-Kulturstiftung einen Förderbescheid über 80.000 Euro.

„Es braucht viel Engagement, der regionalen Geschichte unter dem Diktat der Nationalsozialisten zu begegnen und sie aufzuarbeiten“, so Löb bei der Übergabe des Förderbescheids. „Mit dem Projekt wird eine Forschungslücke in der westfälischen Geschichte geschlossen. Wir unterstützen den ehrenamtlich agierenden Verein in dem Ziel, den Jakobsberg zu einem Ort des Erinnerns und Austauschs weiterzuentwickeln und dauerhaft zu etablieren, erläuterte Löb weiter.

Mit der Förderung leistet die LWL-Kulturstiftung für die Dauer von fünf Jahren (2019 bis 2023) einen Beitrag zur wissenschaftlichen Forschung der Außenlager des Hamburger KZ Neuengamme auf dem heutigen Stadtgebiet Porta Westfalicas. Hier wurden ab Sommer 1944 KZ-Häftlinge für die Rüstungsverlagerungen in die Stollenanlagen rund um den Stadtteil Hausberge eingesetzt. Erkenntnisse der Forschungsarbeit sollen die Basis für eine Ausstellung in der geplanten Gedenkstätte im Jakobsberg und für eine umfassende Online-Dokumentation bilden.

Unterstützung erfahren die Verantwortlichen in Porta Westfalica auch vom LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte, das gemeinsam mit dem Verein im Frühjahr 2020 zum 75. Jahrestags des Kriegsendes eine Historiker-Tagung ausrichten wird.

Für den Betrieb des Besucherbergwerks hat die Arbeitsgruppe Dachs 1 des Vereins die Anlage 2019 aufwändig vorbereitet und insgesamt im Zeitraum vom 01.06. bis zum 21.07.2019 an 22 Tagen 136 Führungen durchgeführt. Die Stadt Porta Westfalica, insbesondere der Baubetriebshof der Stadt, hat die Arbeiten des Vereins im Rahmen der Kooperationsvereinbarung zwischen dem Verein und der Stadt unterstützt. Die Kosten in diesem Jahr werden ca. 60.000 Euro betragen, die gedeckt werden durch die Spenden für die Führungen aus 2017 und 2019.

Die Bauphase

Bewegt wurden ca. 300 cbm Boden, ehrenamtliche Arbeitsleistung geschätzt 1000 Stunden

Beleuchtungsanlage:

  • 56 Scheinwerfer in neuster LED-Technik
  • 1600 Meter verlegte Kabel in der Anlage
  • Mobiler Stromerzeuger mangels festem Stromanschluss
  • ca. 80 Arbeitsstunden nur für den Einbau, die Erweiterung sowie die Modifizierung der Anlage in diesem Jahr

Eingangsbereich:

  • Anfertigung und Einbau eines Tores
  • Schutzgerüste innen und außen
  • Freilegung des Eingangs von Abraum
  • Herrichten des Vorplatzes (Fläche vergrößert, Einbau von 12 t Split)

Sicherungsmaßnahmen durch ein Fachunternehmen:

  • Einbringen eines Sicherungsnetzes

Die Führungen

Es fanden 98 öffentliche Besucherführungen plus 20 weitere für Schulen, Erwachsenenbildung etc. statt. Dazu kamen ca. 16 Sicherheits- und Behördenführungen. Insgesamt waren es wieder über 100 Ehrenamtliche, die die Öffnung ermöglichten. Pro regulärem Führungstag sind mind. 15 Leute vor Ort. Insgesamt wurden von 12 geschulten Gästeführern an 22 Tagen 3150 Personen durch die Anlage geführt.

Hintergrund

Der Verein KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica e.V. bündelt seit 2009 die Aktivitäten von Einzelpersonen, Organisationen und Institutionen zur Aufarbeitung der Geschichte des Nationalsozialismus und der Außenlager des KZ Neuengamme an der Porta Westfalica. Seit 2015 wird die Entwicklung der ehemaligen Untertage-verlagerung Dachs 1 zu einem zentralen Gedenkort fokussiert. In der Region, und darüber hinaus, gibt es nach Angaben des Vereins keinen vergleichbaren historischen Ort, an dem die Auswirkungen des Zusammenwirkens von NS-Ideologie, Rüstungsindustrie und KZ-System sowie die Beziehungen zwischen der Zivilbevölkerung und Konzentrationslagern in der Nachbarschaft deutlicher vermittelt werden könnten.

Das Interesse an dem Thema und dem Ort ist seit Vereinsgründung kontinuierlich gestiegen und ungebrochen hoch, so Thomas Lange vom Verein. Neben gut besuchten Veranstaltungen seien insbesondere die Führungen in der Anlage Untertageverlagerung Dachs 1 im Jakobsberg überregional von großem Interesse und weit im Voraus ausgebucht. Die Presse habesich dem Thema immer wieder gewidmet. Zunehmend werde der Verein auch zur Anlaufstelle für die Angehörigen ehemaliger Häftlinge, die hier Auskünfte über die Lebenswege und Schicksale ihrer Angehörigen erhalten wollen.

Bürgermeister Bernd Hedtmann: „Hier hat sich eine Dynamik entwickelt, die für alle Beteiligten sehr beeindruckend ist. Auf hohem fachlichem Niveau bringen sich ganz unterschiedliche Menschen ehrenamtlich ein, um dieses Projekt voranzubringen. Behörden und Institutionen unterstützen das Projekt. Für die Organisation der Veranstaltungen hat der Verein immer die nötigen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer gefunden. Die Spendenbereitschaft ist außerordentlich. Bisher konnten an einer Führung seit 2015 über 6.000 Personen an einer Führung teilnehmen, davon im Jahr 2017 und 2019 jeweils ca. 2500. Aus unterschiedlichen Bereichen wächst das Interesse stetig: Schulen, Polizei, Bundeswehr sowie weitere Behörden buchen zunehmend Bildungsveranstaltungen. Bisher liegen bereits für die kommenden Jahre wieder ca. 3000 Voranmeldungen vor. In der Region wird zunehmend erkannt, dass es sich hier um einen einzigartigen Gedenk- und Lernort handelt, der hier gerade durch ein außerordentliches ehrenamtliches Engagement erschlossen wird.“

Zur dauerhaften Einrichtung einer Gedenkstätte wurde der aus mehreren Modulen bestehende Projektplan vom Gedenkort zur Gedenkstätte – Projektplanung zur Einrichtung einer Gedenkstätte in der ehem. Untertageverlagerung Dachs 1 2018 – 2016 durch den Vereinsvorstand initiiert. In Kooperation mit der Stadt Porta Westfalica werden sie weitgehend durch die ehrenamtliche Arbeit im Verein realisiert.

Die Stadt Porta Westfalica ist einem einstimmigen Ratsbeschluss folgend als juristische Person Mitglied des Vereins und stellt seit Gründung mit dem Bürgermeister der Stadt auch den 1. Vorsitzenden. Nach und nach werden u.a. die technischen Voraussetzungen für einen regelmäßigen Besucherbetrieb in der Anlage geschaffen und gedenkstättenpädagogische Strukturen aufgebaut. Verwaltungsrechtlich ist die ehemalige Untertageverlagerung Dachs 1 ein Besucherbergwerk, welches unter den o.g. Bedingungen jederzeit einen regulären Besucherbetrieb aufnehmen kann.

Der Historiker Thomas Lange betont die internationale Bedeutung der Arbeit des Vereins: „Wir haben seit dem ersten Kontakt mit der Familie de Raaf aus den Niederlanden zunehmend Angehörige ehemaliger KZ-Häftlinge aus Australien, Frankreich, Italien und Dänemark kennengelernt, die an verschiedenen Veranstaltungen des Vereins teilgenommen haben. Besonders durch den Kontakt zu Dr. Jörgen Kieler und den Besuch von Gita Mann, beide waren in Porta Westfalica interniert, wurde deutlich, dass Erinnerungskultur einen unverzichtbaren Beitrag zur Versöhnung, zum Frieden und zur Völkerverständigung darstellt.

Lange stellt heraus, dass der Verein sehr dankbar für die Förderung der LWL-Kulturstiftung sei, da diese Forschungsarbeit Voraussetzung ist für jede weitere Entwicklung einer Gedenkstättenarbeit inmitten eines bedeutenden Denkmalensembles an der Porta Westfalica. Nur auf Grundlage eines aktuellen wissenschaftlichen Standes könnten Veröffentlichungen, eine vernetzte Dauerausstellung und Online-Dokumentation fundiert erarbeitet und daraus abgeleitet eine themen- und zielgruppengerechte Gedenkstättenpädagogik konzipiert werden. Dank medialer Technik könnten historische Orte als steinerne Zeugen in vielfältiger Weise erlebbar gemacht werden, die Zusammenführung von Gedenkort und multimedialen Lerninhalten könne als ein moderner Ansatz für Wissensvermittlung, politische Bildung und pädagogische Arbeit genutzt werden – auch im Hinblick auf die thematische Erweiterung der im neuen Dokumentationszentrum des Kaiser-Wilhelm-Denkmals angeschnittenen Geschichtslinie zwischen 1919 und 1945. Erste Ergebnisse der Forschung sollen bei der mit dem LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte geplanten Tagung im Jahr 2020 anlässlich des 75. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges Einfluss finden.

Angelegt ist das Forschungsprojekt auf einen Zeitraum von vier Jahren. Der Start kann im September 2019 erfolgen, die Ergebnisse sollen spätestens 2023 zur Verfügung stehen. Perspektivisch hat der Verein das Ziel, die ehemalige Untertageverlagerung Dachs 1 spätestens ab diesem Zeitpunkt als überregional bedeutenden Gedenkort mit regelmäßigen Öffnungszeiten etabliert zu haben.