Stolpersteine NRW: Neues digitales WDR-Angebot gegen das Vergessen

Rund 15.000 Schicksale, eingelassen im Boden: Eine neue App des Westdeutschen Rundfunks (WDR) macht die Geschichten der Menschen hinter den Steinen des Künstlers Gunter Demnig jetzt auch digital zugänglich: mit Texten, Fotos, Audios, Illustrationen und Augmented-Reality-Elementen hinter den Stolpersteinen in Nordrhein-Westfalen. Mit dem Smartphone oder über die Website stolpersteine.wdr.de sollen die Lebens- und Leidenswege der Menschen erlebbar werden, an die auf vielen Straßen mit den Messingtafeln erinnert wird.

Bei den Stolpersteinen handelt es sich um ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig. Mit weit über 80.000 Stolpersteinen in 27 Ländern wurde das größte dezentrale Mahnmal der Welt geschaffen. Jeder Stein erinnert an einen Menschen, der von der NS-Diktatur verfolgt, ermordet oder in den Suizid getrieben wurde. Dazu werden kleine Messingtafeln in den Boden eingelassen. Zu finden sind sie etwa vor früheren Wohnhäusern oder Geschäften von Juden oder und weiteren Verfolgten des NS-Regimes. Das WDR-Projekt soll nach Angaben des Senders alle rund 15.000 Stolpersteine in NRW auffindbar machen, die es mittlerweile gibt. Es richtet sich auch stark an jüngeres Publikum.

Mit der App lässt sich direkt zu jedem Stein, vor dem man steht, die dahinter verborgene Geschichte erfahren. Gezeigt werden biografische Texte, aber auch Hörspiele und historische Fotos. Illustratorinnen und Illustratoren der Kunsthochschule Kassel verfassten zudem 200 gezeichnete Kurzgeschichten, die sich mit den Geschichten der NS-Opfer auseinandersetzen. An einigen Orten verschmelzen digitale Inhalte auf dem Bildschirm auch mit der realen Umgebung - die Technik nennt sich Augmented Reality. Nutzer können etwa zum Gedenken virtuelle Kerzen an den Steinen entzünden.

Es sei berührend, wenn man mehr als nur den Namen und Eckdaten auf einem Stolperstein erfahre, sondern die Person wirklich nahe gebracht bekomme, sagte WDR-Intendant Tom Buhrow. "Das ist eine ganz andere Intensität", so Buhrow Der WDR hatte Anfang 2020 Städte und Gemeinden kontaktiert, in denen Stolpersteine liegen, darunter auch Porta Westfalica , wo die AG Jüdisches Leben der KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica die Verlegung von Stolpersteinen initiiert hat. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten, mit Initiativen und Aktionsbündnissen wurden dann Archive durchforstet, historische Dokumente gesichtet, Berichte von Überlebenden ausgewertet und Quellen abgeglichen.

Zusätzlich zu den Stolpersteinen existieren im Stadtgebiet von Porta Westfalica zwei weitere Mahnmale für jüdische Familien, die während des Nationsozialismus verfolgt und ermordet worden sind. In Kleinenbremen steht eine zwei Meter hohe Stele vor der Kirche. Sie erinnert an alle NS-Opfer aus Kleinenbremen, darunter neun Opfer der jüdischen Familien Philippsohn und Tannenbaum, die während der NS-Zeit verschleppt und ermordet wurden.

In Costedt ist am Mahn- und Denkmal für die Gefallenen der Weltkriege eine Gedenktafel angebracht, die an alle Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Namentlich genannt wird die jüdische Familie Seelig, die an der heutigen Vennebecker Straße gelebt hat, damals Costedt Nr. 33. Sechs Familienangehörige, darunter die erst elf Jahre alte Hanna, waren im Dezember 1941 zunächst nach Riga deportiert und später ermordet worden.

 

Text: dpa-infocom, dpa220121 & KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica

Video-Tutorial zur Stolperstein-App des WDR