Am Freitag, dem 03. Mai 2019, vergibt der Verein KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica e.V. im Rahmen einer Feierstunde zum zweiten Mal die Dr. Jørgen Kieler-Medaille.Die Veranstaltung beginnt um 18 Uhr im Bürgerhaus Porta Westfalica, Am Park 1, 32457 Porta Westfalica-Hausberge
In diesem Jahr geht die Medaille an die AG Jüdischer Friedhof Hausberge der Gesamtschule Porta Westfalica für ihr jahrelanges und außerordentliches Engagement für den jüdischen Friedhof in Hausberge. Durch die Instandhaltung des jüdischen Friedhofes erhält die AG einen wertvollen Teil jüdischer Kultur und setzt mit ihrer Arbeit kontinuierlich vor allem auch ein Signal gegen Antisemitismus. Dr. Jørgen Kieler war es außerordentlich wichtig, niemals darin nachzulassen, junge Menschen zu informieren und aufzuklären über die Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten mit all ihren schrecklichen Folgen und die Jugend zu motivieren, sich für Menschlichkeit, Frieden und Völkerverständigung einzusetzen.
Die Jury 2019 hat hervorgehoben, dass insbesondere das Engagement junger Menschen ausgezeichnet werden sollte. Weiterhin wurde festgestellt, dass die Vergabe im Hinblick auf den zunehmenden Antisemitismus ein wichtiges Signal setzen kann. Die Arbeit der „AG Jüdischer Friedhof Hausberge“ über mehrere Schülergenerationen hinweg hat für die Beteiligten einen besonderen pädagogischen und menschlichen Wert. Dabei haben die Schülerinnen und Schüler einen wertvollen Teil jüdischer Kultur der Stadt Porta Westfalica erhalten und für die Öffentlichkeit erfahrbar gemacht, teils mit außerordentlichem Einsatz. So konnte z.B. die Restaurierung des denkmalgeschützten Mausoleums der Familie Michelsohn ermöglicht werden.
2018 wurden die Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe in der Stadt Porta Westfalica mit der Medaille ausgezeichnet. Gestaltet wurde die Medaille von der Künstlerin Ingrid Möhlmann aus Porta Westfalica.
Zur Person
Jørgen Kieler, einer der bekanntesten dänischen Widerstandskämpfer, wurde am 23.08.1919 in Horsens, Dänemark, geboren und starb am 19. Februar 2017 im Alter von 97 Jahren. Während der deutschen Besatzungszeit schloss sich Kieler zusammen mit seinen Geschwistern der dänischen Widerstandsgruppe Frit Danmark an und war später an Sabotageaktionen der Holger Danske-Gruppe beteiligt.
Im Februar 1944 wurde er verhaftet und über mehrere dänische Gefängnisstationen zunächst nach Frøslev und von dort aus nach Neuengamme gebracht. Sein Bruder Flemming wurde ebenfalls inhaftiert und nahm den gleichen Weg. Von Neuengamme aus kamen sie mit einem Transport von ungefähr 200 Häftlingen, darunter 98 Dänen, im September nach Porta Westfalica. Die Fahrt dauerte 42 Stunden, die Männer wurden in Transportwaggons zu 50 Mann eingepfercht. Die Zustände im Außenlager des KZ Neuengamme, eingerichtet im damaligen Hotel Kaiserhof, waren katastrophal. Jørgen Kieler kam zunächst in diverse schwere Baukommandos, bevor er als Medizinstudent im Krankenrevier für eine gewisse Zeit eingesetzt wurde. Die belastenden Eindrücke, die seine leidenden und dahinsiechenden Kameraden auf ihn machten, waren Antrieb für seine spätere Arbeit über die Hungererkrankung in deutschen Konzentrationslagern. Als mehr und mehr Häftlinge vor Hunger und Krankheit starben, musste Kieler in der Untertageverlagerung Dachs 1 im Jakobsberg unter grausamen Bedingungen Zwangsarbeit leisten. 81 überlebende Dänen wurden kurz vor Kriegsende gerettet durch die Aktion des schwedischen Roten Kreuzes unter der Führung von Graf Folke Bernadotte und des Dänischen Hilfskorps.
Kieler besuchte Porta Westfalica im Jahr 2005. Er beschreibt diesen Besuch als den Schlussstrich unter seine Kriegserfahrung. Im Jahr 2011 veröffentlichte er das Buch „Dänischer Widerstand gegen den Nationalsozialismus“. In Porta Westfalica fand eine mit über 100 Menschen besuchte Lesung statt. Ein freundschaftlicher und herzlicher schriftlicher Austausch begann mit der aus Porta Westfalica stammenden Zeitzeugin Marianne Domke im Jahr 2011. Marianne Domke war damals 16 Jahre alt. Sie verteilte heimlich mit ihrer Freundin unter großer Gefahr auf der Brücke über die Weser Brote an die Häftlinge. Über diese Brücke ging auch Jørgen Kieler. Aus dieser freundschaftlichen Verbindung ist die Idee entstanden, die Dr. Jørgen Kieler-Medaille zu verleihen.