Im Alter von 97 Jahren ist Dr. Jørgen Kieler am vergangenen Sonntag in Kopenhagen verstorben. Kieler, einer der bekanntesten dänischen Widerstandskämpfer gegen die Nationalsozialisten, wurde 1944 in das Außenlager des KZ Neuengamme in Barkhausen an der Porta Westfalica verschleppt. Kieler überlebte die Lagerhaft. Zusammen mit 80 anderen Dänen wurde er im März 1945 im Rahmen der Bernadotte-Aktion befreit.
„Mit Betroffenheit haben wir vom Tod Dr. Jørgen Kielers erfahren. Sehr froh bin ich, dass einer der bekanntesten dänischen Widerstandkämpfer, der mit seiner Gruppe hunderten dänischen Juden das Leben gerettet hat, seinen Frieden finden und noch erfahren konnte, dass wir vor Ort mit dem Verein KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica e.V. sein Andenken bewahren werden. Jørgen Kieler ist ein großes Vorbild für Mut und Menschlichkeit. Der Verein sieht sich in der Pflicht, seine Aufklärungsarbeit fortzuführen und sein Andenken zu bewahren“, so Bernd Hedtmann, Bürgermeister der Stadt Porta Westfalica und Vorsitzender des Vereins.
Jørgen Kieler wurde 1919 in Horsens in eine bürgerliche Familie hineingeboren. Er absolvierte die staatliche Schule in Horsens bevor er in Kopenhagen begann, Medizin zu studieren. Er hielt sich im Ausland auf, unter anderem in München, Paris und Cambridge. Während seiner Studienzeit schloss er sich dem dänischen Widerstand an, er verbreitete die illegale Zeitung Frit Denmark und gehörte später zur Holger Danske-Gruppe. Nach einer Sabotage in Aabenraa wurde er verhaftet, durchlief mehrere dänische Internierungslager und kam anschließend vom Lager Frøslev nach Neuengamme. Hier wurde er für den Transport nach Porta Westfalica ausgesucht. Kieler war als Medizinstudent einige Zeit im Krankenrevier des Kaiserhofes tätig. Seine erschütternden Erlebnisse dort bildeten die Grundlage für seine spätere medizinische Forschung. Häftlinge litten hier neben anderen arbeitsbedingten Krankheiten vor allen Dingen am Hungersyndrom, einem völlig aus der Bahn geratenem Immun- und Verdauungssystem, gezeichnet von Unterernährung und schlechtesten hygienischen Verhältnissen.
Nach dem Krieg veröffentlichte er mehrere Arbeiten zum Hungersyndrom. Zeit seines Lebens war er als Zeitzeuge maßgeblich in der dänischen Erinnerungsarbeit engagiert und hielt bis ins hohe Alter Vorträge zu seiner Zeit als Widerstandskämpfer und KZ-Häftling. Er besuchte mehrmals Porta Westfalica. In seinem letzten Buch „Dänischer Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ beschreibt er, wie erst durch den Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern der Stadt und die dadurch entstandenen freundschaftlichen Beziehungen zu Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, für ihn 60 Jahre nach seiner Verhaftung der zweite Weltkrieg endete.
Durch die Veröffentlichung seines Buches entstanden enge Verbindungen zu Mitgliedern des Vereins KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica e.V.; insbesondere zu Marianne Dohmke, 88, die als junges Mädchen auf der Brücke zwischen Hausberge und Barkhausen jeden Morgen überquerte und den hungernden Häftlingen mit ihrer Freundin heimlich Brot zusteckte.
Dr. Jørgen Kieler stimmte dem Vorhaben des Vereins zu, eine Dr. Jørgen Kieler-Medaille für herausragendes Engagement für Völkerverständigung, Menschlichkeit und Frieden. Die Medaille wird am 07. April erstmals vergeben.
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